In Florian Pelkas Bild “Der Bock lässt in Dürers Haus die Puppen tanzen“(2012) führt ein gehörntes Monstrum Regie. Es scheint in eine Art Bretterbude oder Fachwerkschuppen eingebrochen zu sein, dessen Latten wenig Halt und Schutz versprechen. An Marionettenfäden führt er drei schemenhafte Wesen mit einer entsprechend mechanischen Körpersprache. Versatzstücke aus einer zumindest vorstellbaren, überhöhten Wirklichkeit treffen auf Bildzitate wie beispielsweise einen altmeisterlich anmutenden Himmel. Naturstilisierung liegt am unteren Bildrand neben dramatisch fießenden Farbflächen, die das symbolhafte Geschehen malerisch begleiten. Die erzählerischen und zeichenhaften Elemente des Bildes lassen sich durchaus unterschiedlich sehen. Agiert hier ein Patriarch in Bocksgestalt im familiären Gehäuse oder wird eine Familie, zumindest zahlenmäßig der frühesten, der heiligen nachempfunden, von höheren Mächten dirigiert?

Pelka legt lose Erzählfäden aus, bricht das Narrative an Stilisierung und an einer Konstruktion, die kompositorischen Erwägungen und rein malerischen Gesichtspunkten geschuldet ist. Mit einem offenkundigen Spaß am Fabulieren verbindet sich das Vergnügen, subtile Deutungsmuster auszulegen, gleichzeitig zu verfremden und zu verschleiern, zu eröffnen statt zu erschließen. Menschen, Tiere, Tiere in menschlichem Gestus, Fragmente von Architektur und Natur treffen auf malerische Sensationen. Der Künstler illustriert nicht. Erst im Malprozess scheinen  abgespeicherte Bilder auf, aus der Kunstgeschichte, aus der Werbung, er vergehe sich an beidem, sagt Pelka. Der Maler sieht Dinge mit den Bildern und durch die Bilder hindurch, was uns Betrachtern deutich zugute kommt. In die Werke fließen persönliche Erinnerungsbilder ein, aber auch kollektive und vor allem die spezifische visuelle Wahrnehmungsqualität unserer Zeit, das heißt eine medial geprägte Erfahrung. Schein bestimmt unsere visuelle Wirklichkeit. Pelka spiegelt uns diese reale Wahrnehmungsqualität in einer konstruierten und zugespitzten Bilderwelt zurück.

In dem Bild “Daisy räumt auf” (2011) stechen die markanten Augen der titelgebenden Figur aus einem dramatisch getönten Himmel heraus, der Kopf verschmilzt mit den Konturen eines Baufahrzeugs. Götterdämmerung im Abendland: Eine Comic-Heldin fegt mit furienhaftem Blick und auf Augenhöhe mit einer historischen Säulenheiligen den humanistischen Krempel mit einem Schaufelbagger davon. Der Mythos wird vom Pop-Kult abgelöst. In diesem Kampf der Kulturen landet Pallas Athene, die griechische Göttin der Macht und Ordnung, auf dem Müllhaufen der Geschichte.

Die Abräumszene korrespondiert mit schmutzigen Farben, die sich in der rechten unteren Bildecke in Spritzern, Flecken und Schlieren darstellen. Bildwitz verhindert, die Szenerie als blanken Kulturpessimismus zu lesen. Das Auge ist auch zu sehr mit verschiedensten formalen Korrespondenzen auf mehreren Ebenen beschäftigt, um sich auf eine Lesart einzulassen und zu beschränken. Eine Art Leitplanke und die Baggerräder korrespondieren mit Säulenscheiben und einem weiteren Architekturfragment. Der Kopfschmuck von Göttin und Comic-Heroine begegnen sich in formalen Parallelen. Dann rotiert es kräftig, sternförmig über der Göttin und Räder rollend am Boden. Hier prallen nicht nur allegorisch Kulturen aufeinander, hier tummeln sich auch verschiedene Formwelten zwischen Ein- und Zwietracht. Schwimmende Verläufe und feste Konturen, Konkretes und Gestisches. Verlassen der gewohnten Ordnung und Verweigerung jeder Klassifizierung spielen zusammen. Bausteine von diversen Orten, aus verschiedenen Zeiten, Technologien und künstlerische Stile verwirbeln in den dynamischen, von Reibungsenergie aufgeladenen Bildfindungen.

Das Bild muss als Bild stimmen, sagt der Maler. Die Suche nach kompositorischer Geschlossenheit ist nicht zu verwechseln mit dem Streben nach Harmonie. Ein nivelliertes Bild ist langweilig, spannungsfrei. Pelkas Bilder stimmen, wenn sie die Labilität des Gleichgewichts spüren lassen, prekäre Daseins- und Empfindungswirklichkeiten, ein Lebensgefühl, in dem sich Komplexität und Vielschichtigkeit als permanenter Unruhezustand und Unterwegssein niederschlagen. Es ist das Wunder der Fläche und eine der Überlebensgarantien von Malerei. Alles ist gleichzeitig da, das Auge kann wandern, wenn es vom Bild bewegt wird. Nach jedem Gang fügen sich die Elemente neu und stellen sich anders dar. Das Verhältnis von Bild, Wahrnehmung und Wirklichkeit bleibt im Wandel.

In dem Bild “Black Beauty” (2011) blickt ein weitgehend naturalistisch dargestelltes Pferd in eine konstruktiv skizzierte Landschaft. Konturen von Architektur im Landhausstil, eine kleinstädtische Straßensituation, angedeutete Pflanzenumrisse, ein Kaktus wohl, der Zaun einer Koppel. Der Blick wird strahlenförmig in die Tiefe gezogen, wie in einen Tunnel, wie in das Innere eines Waggons vor wolkigem erdfarbigem Dunst, hinter dem das Blau, die Farbe der Ferne, liegt. Die Perspektive korrespondiert mit der  Blickrichtung der Pferdes. Eine Rückenansicht in schönster Parallele zur romantischen Malerei. Fernweh, Sehnsucht nach der anderen, der richtigen Welt, nach der Natur als Gegenentwurf, nach dem verlorenen gegangenen, dem in der Auflösung von Halt und Ort abhanden gekommenen Ich. Das schwarze Pferd ist ein Zitat aus einer TV-Serie, verklärte Welt, vermeintlich für den Bedarf von Kindern, flaches Projektionsangebot des Sehnsuchtsortes Mattscheibe.

Jede tiefe existenzialistische Andeutung, die Pelkas Bilder im Gepäck haben, behält im Bildwitz und in der Lakonie des Motivmixes Bodenhaftung. Frontale Bildsprache, erzählerischer Grundimpuls, das Verschieben von Dimensionen, die Balance mit dem Disparaten, die Kunst als Fenster – das sind wichtige Eigenschaften des Berliner Künstlers im Bezug zu seiner Zeit.