Florian Pelkas Dramen sind zugleich verstörend und kraftvoll, bedrohlich und vital. Seine Welt ist keine freundliche, sie steckt voller Unsicherheiten und Gefahren, durchzogen von Resignation und Endzeitstimmung. In surrealen Räumen bewegen sich rätselhafte menschliche Gestalten, Tiere und seltsame Zwitterwesen. Dabei scheint das Unheil nicht nur von den Figuren auszugehen, sondern auch von der aggressiven, schrillen Farbe, die als eigener Akteur in diesen Bildern auftritt.

Die Szenerie ist uns vertraut und fremd zugleich. Die Figuren stammen aus Märchen und Mythologien, aus mittelalterlichen Fabeln und grotesken Possenspielen, aus Historie und Gegenwart. Wir sehen antikes Personal – Medea, Hekate, Apollonia – neben Narren, dem Philosophen als Lumpenkönig und dem sprichwörtlichen „verrückten Wissenschaftler“, der die Gestirne am seidenen Faden kreisen lässt und in seiner modernen Alchemisten-Küche Wunderliches zusammenbraut. Dazu die Tierwelt: Zartes und Zerbrechliches wie Schmetterling und Libelle, aber auch Kräftiges, Aggressives, wie Tapir und Löwe. Die Figur des Affen ist die Verbindung zwischen Menschen- und Tierwelt.

Bezüge zur Gegenwart sorgen dafür, dass das Geschehen nicht (nur) in der Vergangenheit oder Zeitlosigkeit stattfindet. Wir finden im Werk triviale Gegenstände unserer modernen Lebenswelt, neonleuchtende Werbetypographie, Sprechblasen aus Comic Strips, Gartenzaun und Stopschild, und eine in madonnenhaftes Blau gekleidete Frau, die ihren Schmetterling mit einem Teppichklopfer erschlagen will. Und alle Gesichter sind sehr gegenwärtig, von heute.

Prägend für Florian Pelkas Bildwelt ist die Vermischung der Sujets und Zeiten, der Zeichen und Figuren, der Erzählungen und Realitätsebenen. Da begegnet der Jäger einem monumentalen Gartenzwerg mit Schubkarre, da steht die bekannte Statue von Goethe und Schiller unter Palmen im Nirgendwo, da versammeln sich schwarze Krieger, die Helme mit gefährlichen Antilopenhörnern tragen, unter einem Coca-Cola-Schriftzug. Und ein Mann, dessen Kopf in einer Art Globus steckt, steigt als Geflügelter aus einer Larve.

Doch auch wenn einzelne Figuren die Szenerien dominieren, so stehen oft weniger sie, als vielmehr das Geschehen im Zentrum, in das sie eingebunden sind. Einige Titel mögen ausreichen, um das Ereignishafte der Bildwelt anzudeuten: „Beim Erreichen der Ebene“, „In Schönheit sterben“, „Drift“, „Der Siegeszug der Vernunft“, und schließlich, ebenso bedrückend wie vieldeutig, „Sie kommen“. Da schwingt etwas Bedrohliches mit, es sind eben „Spooky Times“. Auf der anderen Seite trägt das makabre Ritual des Häutens erlegter Tiere den beschaulichen Titel „Im Mondschein“.

Es ist ein Stück Welttheater, das hier ausgebreitet wird, jenes Theatrum mundi aus Renaissance und Barock, das die Eitelkeit und Nichtigkeit der Welt ausbuchstabierte. Dazu passt, dass Florian Pelka Philosophie und Literaturwissenschaft studierte, bevor er sich der Kunst zuwandte. Er ist, was in früheren Zeiten „pictor doctus“ genannt wurde, ein gelehrter Maler.

Die Farbe spielt eine im doppelten Sinn ganz eigene Rolle. Zum einen ist es die Kolorierung, häufig neon-grell, alarmistisch, bengalisch leuchtend. Ein giftiges Grün, kontrastiert von einem Blutrot, dazu unheilschwangeres, flackerndes Gelb, perfides Violett und bodenloses Blau.

Zum anderen löst sich die Farbe von den Objekten, wird selbständig und selbst ein Objekt und unterstreicht das Ereignishafte der Bilder. Wie Schlangen kriecht sie durch die Szenerie, schäumt auf wie Gischt und Brandung, ergießt sich wie ein Strom über die Leinwand, blitzt als

Farbgewitter, regnet als Feuer vom Himmel, tobt wie verrückte Geister durch den Raum. Im „Siegeszug der Vernunft“ fegt ein Farbstrom ebendiesen schlicht davon.

Pelkas expressiver Pinselschwung zeugt noch vom Studium bei Georg Baselitz; doch er wird eingefangen durch klar definierte konstruktivistische Muster, wie Rhomben und Farbfelder, die als breite Bänder durch das Bild ziehen oder sich verselbständigen und auseinanderstreben, geradezu explodieren. Das alles trägt bei zu einer außerordentlichen Präsenz, Wucht und Dringlichkeit, die die Bilder prägen. Sie sind aufgeladen mit Spannung und Energie, sind kraftvoll, geradezu explosiv. Ein seliges Versinken in Mythen und Märchen ist hier unmöglich.

Das Gemälde „Stirb und werde“ ist so etwas wie ein Schlüsselbild. Goethe prägte die bekannte Formulierung in seinem Gedicht „Selige Sehnsucht“ aus dem West-Östlichen Diwan. Es geht um Tod und Wiedergeburt, um die Metamorphose. „Das Lebend’ge will ich preisen / Das nach Flammentod sich sehnet.“ Solange der Mensch dieses „Stirb und werde“ nicht habe, sei er „nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde“.

Der bereits erwähnte exzentrische Wissenschaftler (dessen Gestalt vage an Einstein denken lässt) hält eine Armillarsphäre wie ein Jojo „an einem seidenen Faden“. Dieses astronomische Gerät, das den Verlauf von Himmelskörpern darstellt, wurde früher auch „Weltmaschine“ genannt. Ihm gegenüber auf der anderen Bildseite sitzt ein Knabe, der spielerisch nach einer Libelle greift. Beide „Spieler“ drohen vom Malstrom der Farben verschlungen zu werden. Diesem „stirb!“ steht das „werde!“ der frischen grünen Blätter und der sich öffnenden Blumen am unteren Bildrand gegenüber.

Angesichts der Widersprüchlichkeit und Absurdität menschlicher Existenz dürfen wir diese Situation verstehen als eine Metapher der Zuversicht: Zwar kann der Mensch in seinem Wahn die Welt vernichten, aber es bleibt die Hoffnung, dass sich das Neue wie Phönix aus der Asche erheben wird.

Es ist eine Situation, die Florian Pelka in jüngster Zeit selbst durchlebt hat. Ein Atelierbrand zerstörte einen großen Teil seines Œuvres; alle in diesem Katalog aufgeführten Gemälde entstanden nach dem Feuer. In einer ganz praktischen Weise ist es der Künstler, der den Phönix – die Kunst – nach dem Verbrennen zum Leben erweckt. Im übertragenen Sinn sind es das künstlerische Schaffen, der kreative Akt an sich, die für den mythischen Vogel stehen: ein Zeichen der Zuversicht.