Auf den Gemälden Florian Pelkas verschmelzen unmittelbar deutbare, figurative Elemente mit diffusen abstrakten Partien, die den Raum und eine lediglich angedeutete Perspektive verschleiern, die Modulation des Lichts regulieren, Zusammenhänge konstruieren oder auch vermeintlich miteinander kommunizierende inhaltliche Bezüge kappen. Aus ihnen entwickeln sich gestaffelte, wandernde, strudelnde und wuchernde Bereiche, die für Dunst, Wolken, Erde und Wasser stehen und zugleich und vordringlich ein Spiel mit den faszinierenden koloristischen Möglichkeiten bedeuten, die sich während des Malprozesses eröffnen. Ornamentale Einschübe in Form von Arabesken, Kreis-segmenten und Kurven, die die Form eines Handlaufes oder einer Absperrung haben können, greifen gliedernd in die Komposition ein. Diese geometrischen Schmuckformen unterlaufen klare Raumdefinitionen, kaum dass sie sich definitiv andeuten und dynamisieren die von ihnen durchzogenen Areale – ähnlich wie wir es vom Ornamentstich der Renaissance kennen. Sie grenzen Abschnitte ab und raffen komplex angelegte Flächen zusammen. Nicht zuletzt setzen sie die Position des von derartigen Barrieren ausgeschlossenen Betrachters mit seinen Sinnerwartungen fest. Dabei stehen ihre exakten Gefüge und ihre leuchtende, ja zuweilen grelle Farbigkeit in Widerspruch zu primär fließenden Malstrukturen. Bänder von nicht zu klärender materieller Beschaffenheit – sind sie weich wie Seide oder metallen? – treiben schwellend und mit irritierender Zielstrebigkeit ihr Spiel mit der virtuellen Bild-Räumlichkeit und der Illusion des Publikums.

Ähnlich wie man über das seriell verwendete Ornament Bezüge zur angewandten Kunst, Architektur und Produktgestaltung herzustellen vermag, wird die Analogie von Pelkas im Bild eingebetteten Motiven zu der uns auf Schritt und Tritt begegnenden Universum der Zeichen, Signale und Icons bewusst, all jener heute sämtliche Lebensbereiche regulierenden Piktogramme. Stilisierte Bilder sind anstelle einer Buchstabenschrift getreten. Über Sprachbarrieren hinweg, weil sie auf internationaler Übereinkunft beruhen, und Platz sparend erleichtern sie die Orientierung im Straßenverkehr ebenso wie auf dem Bildschirm des Computers. Als zeitgemäße Hieroglyphen beschäftigen sie die Phantasie der Gestalter von Plakaten oder auch Verpackungsgraphik, deren spezifische Zeichen eben mehr als nur “oben”, “unten”, “nicht stürzen” oder “vor Nässe schützen” symbolisieren, da sie für einen fortschreitenden Prozess globaler Kommunikation stehen.

Einprägsame Logos von mehr als einer Milliarde allein in Deutschland registrierter Warenzeichen versprechen Qualität beim Einkauf und bestärken den Verbraucher im Glauben, die ihren Preis werte Ware und Dienstleistung zu erwerben. Einprägsame Optik und kontinuierliche Verwendung von Signets auf Verpackung, in Schaufenstern oder auf Visitenkarten erlauben eine Differenzierung von No-name-Produkten und stehen seit der Zeit der Fugger und Welser, besonders aber seit dem 19. Jahrhundert als es galt “anonyme Käufermassen zu domptieren”1, kennzeichnend für die Corporate Identity von durch sie repräsentierten Unternehmen.

Kubismus, Dadaismus und später die Pop Art und der Nouveau Réalisme befassten sich auf vielfältige Weise mit den visuellen Taktiken der Werbung und der allgegenwärtigen trivialen Informationsträger in einer von Reizbotschaften überfluteten Sphäre. Während sie deren Sinnbilder als objet trouvé einbanden, setzt sich Florian Pelka malerisch mit ihnen auseinander, indem er sie als Initialzündung betrachtet und in ein Umfeld rückt, das ihrem Wesen kaum entspricht. Sie verlieren ihre ursprüngliche funktionale Bedeutung als Teil einer komplexen visuellen Mitteilung, weil deren unterschiedliche Komponenten miteinander verschmelzen und sich zu einer völlig andersartigen, ihrem ursprünglichen Sinn fremden Aussage wandeln. Ins Bildgeschehen verwickelte Anspielungen vermögen das Interesse des Betrachters unmittelbar anzusprechen, da sein Gedächtnis ihm Vertrautes wieder erkennen lässt und in dem vom Künstler organisierten Zusammenhang zu deuten vermag. Der Symbolcharakter geht – zumindest teilweise – verloren und die Sinndeutung konzentriert sich auf das gesamte ikonographische Arrangement. Bestimmte, sich wiederholende und variierte Motive, die Pelka in sein Bildgerüst einfügt, wollen als im kollektiven Bewusstsein verankerte Sinnbilder begriffen werden, die sich in einem Bildgerüst behaupten, das von der Wirkung der Farbe und sie strukturierenden abstrakten Gesten geprägt ist. Da blickt man in das starr und maskenhaft lächelnde, en face gegebene Gesicht eines Pizzabäckers, der uns sein Produkt entgegenstreckt, macht eine Wartebank und einen verlassenen Campingstuhl aus, von dem aus man den Blick in eine Traumlandschaft genießen könnte. Oder man stößt auf dessen Varianten, die sich – abgestellt – im Vordergrund eines nächtlichen Gartenszenariums verschränken, die von einer abgebrochenen Party zu berichten scheint: Noch bewegen sich Lampions trügerisch im Wind, doch die Feiernden haben dem Ort bereits den Rücken gekehrt und eine beklemmende Situation zurückgelassen. In einer sich verbaler Argumentation entziehenden Weise tendiert Harmonisches dazu, ins Unheimliche umzuschlagen – ein Stilmittel der Romantiker und Surrealisten wird in die Sprache unserer Zeit umgesetzt.

Thematisiert werden so bescheidene Sujets wie der Einkaufswagen aus dem Supermarkt, dessen Schema als filigrane Silhouette über ein Regal voller Mohrenköpfe gemalt, zwischen den Auslagen eines Geschäfts oder, ganz Signal, zentral in der Bildmitte eines kleinen Formates vor eine abstrakt gestaltete Wand-Fläche gesetzt wird. Campingzelt und Tannen, vom lauen Wind bewegte, additiv eingegliederte Palmen an den Riffen der Karibik, wie wir sie aus den Prospekten der Reiseveranstalter kennen, werden von Pelka als bildwürdige Motive erkannt. Wie jene Autoskooter, deren Darstellung nicht nur Träume und nostalgische Erinnerungen wecken, sondern mit deren Abbild sich automatisch die Vorstellung von Kirmes und Volksfest einschleicht, Orten des Vergnügens, der Lebensfreude und des Konsums. All diese Objekte wirken konstruiert, zeichenhaft fixiert und wie eingefroren; auf die Veranschaulichung von Details wird verzichtet. Die Gestalt des Menschen tritt lediglich beiläufig, schablonenhaft in Erscheinung oder seine Präsenz wird durch Gegenstände, die er hinterlässt, und durch Einschübe von – klassischen – Architekturen suggeriert. “In der anonymen Modellhaftigkeit vieler meiner Motive”, schreibt Pelka, “liegt auch eine geisterhafte Atmosphäre des Abwesenden. Der Mensch selbst wird nur durch Statthalter gezeigt.” Sein vorgeblich reales Auftreten als Clown wird etwa dadurch relativiert, dass er sich zwar mit all dessen typischen Accessoires vorstellt, die Künstlichkeit seiner Gestik und die Positur auf einem Podest ihn jedoch als Spielzeugfigur entlarvt. Modellfiguren und Illustrationen dienen als Vorlagen für die wenigen menschlichen Gestalten, die Pelka in seinen malerischen Diskurs einschaltet. Ritter und melancholischer Reiter, retrospektive Versatzstücke aus dem visuellen Repertoire der Heldenepen und der Malerei des 19. Jahrhunderts, werden unmittelbar neben einem Bildschirm positioniert, aus dem ein Pferdekopf aufscheint und werden in einen überraschenden Kontext verpflanzt. Erinnerung, Fiktion und unverstellte Fabulierlust, spezifische Kennzeichen heutiger Malerei, konditionieren diese Bilder ebenso wie die ironisch gefärbte Reflexion historischer Kunststile. Komposition und eine die sinnlichen Komponenten des Materials akzentuierende Technik überspielen das Fragmentarische angedeuteter Episoden. Sequenziell ins Bild einfließende Abbreviaturen und radikal unterbrochene, einander in einer Art neo-surrealer Strategie kommentierende Handlungsstränge sind Kennzeichen von Florian Pelkas Samplings.

Seine Methode des malerischen Vortrags vermittelt jene irreale Vorstellung von oszillierender Bewegung, die das Wesen sämtlicher Werke bestimmt. Aus den vage definierten und doch hinsichtlich ihrer Textur dichten Schichtungen von Kraftfeldern voller Interferenzen, die anmuten, als befänden sie sich in fortwährendem Wandel, heben sich die Objekte aus Pelkas Motivspeicher ab, ohne sich optisch oder aufgrund ihres inhaltlichen Gewichtes energisch in den Vordergrund zu drängen. Ausnahmen bilden allenfalls die einem eigenen Themenkreis zuzuordnenden Schilderungen einiger bestimmter Tiere, die Pelka kontinuierlich in seinen Kosmos implantiert. Affen und Schwäne, in jüngerer Zeit auch Pferde, zählen seit jeher zu den beliebten kultischen und profanen Motiven in der Kunstgeschichte. Die ikonographische Deutung sieht den Affen, der nicht nur von der Literatur häufig mit menschähnlichen Zügen ausgestattet und noch im 18. Jahrhundert in die biologische Klasse des Menschen eingeordnet wurde3, als Repräsentanten der Triebhaftigkeit und der List. Vom Schwan heißt es, er verkörpere – neben einer gleichfalls erotischen Komponente – in manchen Mythen und Religionen Licht und Reinheit, obwohl das Mittelalter ihn geradezu dämonisierte – und vom Pferd wird in der Symbolkunde sowohl als Sinnbild der Vitalität als auch als zauberkundiges Wesen gesprochen. Obwohl die atmosphärischen Schilderungen in Florian Pelkas Bildwelt zu derartigen Auslegungen einladen, fasziniert ihn vielmehr “das Showtalent des Schwans, [?] seine aufgeplusterte, stolze Erscheinung, seine prächtige Täuschung [?] seine Doppelgesichtigkeit im Besitzanspruch”, Wesenszüge, die Pelka mit dem schönen Schein der Jahrmarktwelt und dem “Modellhaften von Piktogrammen”4 in Verbindung bringt. In seinem ?uvre nehmen Hinweise auf den animalischen Kosmos den Rang einer weiteren, wesentlichen Chiffre ein, die der Künstler selbst als “Kontrapunkt zur medial repräsentierten Realität”5 versteht. Die Einbeziehung von Tiermotiven liefert optisches Material, appelliert in gleicher Weise wie gewisse originäre Felsformationen und phantastisch anmutende Gewächse, die als Bausteine einer individuellen Bildgrammatik zugleich formale Aufgaben erfüllen, an die Vorstellungskraft.

Ein verrätseltes Vokabular im Zusammenspiel mit narrativen Elementen, die vom Malstrom der Farbe zusammengehalten werden, macht diese inszenierten Gemälde – bei aller Sachlichkeit im Detail – zu fiktiven Schauplätzen melancholisch-romantischer Geschehnisse, deren Atmosphäre zu ergründen Aufmerksamkeit und die emotionale Bereitschaft voraussetzt, dem Geschauten in einem stummen, von der Malerei angestoßenen Dialog noch etwas hinzufügen zu wollen. “Bilder sind keine Weltsprache, eher eine Sprache in der Welt. Als bescheidene, selbstständige Sprachelemente sind sie eher Gedichte, aber vernetzt mit vielen Kontexten von Gesellschaft und Kunst. Damit hat ein Bild weder die Funktion der Affirmation noch der Negation. Vielmehr stellt es als Netzwerk im Kern eine Relativität ohne Ende dar.”6

1 Jürgen Kaube, Kinderkönig Kunde, Frankfurter Allgemeine
Zeitung, 19. Januar 2004
2 Florian Pelka, Brief vom 30. Oktober 2004
3 vgl. Carl von Linné, 1735
4 Florian Pelka, Brief vom 30.Oktober 2004
5 Birgit Acar, Eine Annäherung, Typoskript, 3.2.2004
6 Gijs van Tuyl, Vorwort, in: Painting Pictures – Malerei und
Medien im digitalen Zeitalter, Ausstellungskatalog, Kunstmuseum Wolfsburg. 2003, S. 8