Was zuerst auffällt an Florian Pelkas neuen Bildern, ist das überbordende Verlangen nach satter Malstofflichkeit, ein auch den Betrachter ansteckendes ziehendes Gefühl von etwas, von dem man nicht weiß, was es ist, was aber immer wieder gestillt werden will. Außerdem eine merkwürdige neonfarbene, von grell-gelb bis kühl-violette Farbigkeit. Sie erinnert an das Licht des Fernsehers oder Computermonitors und an Veilchenzucker. Zuweilen trägt Pelka dabei so satt Farbe auf, dass sie tastbar wird wie eine Dermoplastik.
So wie auf den Bildschirmen der Informationsgesellschaft die digitalen Objekte immateriell und manipulierbar sind, so bieten irisierende Oberflächen und schwer greifbare Raumbilder dem Auge eine veränderliche Erscheinung. Liegen die verschiedenfarbigen Punkte eines Gegenstandes so dicht zusammen, dass das ausgesandte Licht beim Eintritt in das Auge einen zu kleinen Winkelunterschied aufweist, so geschieht additive Farbmischung. Beim Farbbildschirm eines TV-Gerätes oder eines Computers liegen zur Darstellung eines farbigen Bildpunktes drei eng benachbarte Farbpunkte vor. Es werden die drei Primärfarben Rot, Grün und Blau verwendet, woraus sich die Bezeichnung “RGB-Farbsystem” erklärt. Je nach Helligkeit jedes der drei Farbpunkte ergibt sich im Auge ein bestimmter Farbeindruck. Pelka weiß um gewisse Umkipppunkte im Farbsystem. Er übernimmt seine von Abendrot, Wundbrand und Äther-Surfing aufgeglühte Bildfarbigkeit aus dieser alltäglichen Erfahrung im Umgang mit künstlichem Licht. Die Abbildung eines Ein/Aus-Knopfs sowie eines Flachbildschirms im Bild “Zweifel und Wunder” verweisen überdeutlich, ja fast schon auf ironische und Verunsicherung potenzierende Art auf die beschriebenen Zusammenhänge.
Pelkas Bilder verhalten sich zur veränderlichen Erscheinung farbigen Lichts, als würde das Licht den Datenstrom substituieren. Ein Akt der Blendung überlagert einen der Aufklärung. Gerade im Hinblick auf die derzeit um sich greifende unkritische Aufsockelung von “Dresden Pop” und der böcklin?schen Muffigkeit der “Neuen Leipziger Schule”, insbesondere durch die Fernzündung von publizistischen Nebelgranaten auf dem US-amerikanischen Kunstmarkt, ist Florian Pelkas künstlerische Position ein Sich-Wehren gegen die Einordnung. Damit vermag Pelka ein gutes Stück weit der Gefahr einer vorzeitigen Neutralisierung selbstbewusst zu begegnen.
Obwohl er nicht mit der Emphase der ehrwürdigen Museumsdisziplin auftrumpft, bestätigt seine Malerei doch genau diese, wenngleich er ein zutiefst neugieriges Spiel mit den Mitteln ihrer Faszination eingeht. Pelka ist hier und dort, betreibt die Geburt des Bildeinfalls aus dem Bildeinfall, malt abstrakt und abbildhaft zugleich, verschränkt Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, rakelt über die Oberflächen und stößt dann wieder heldisch in die unbekannten Tiefen des Raumes – ein romantisches Finden und Verlieren, ein ritterliches Abdecken und Freilegen, das langsam und suggestiv das Bild bei seiner Entstehung begleitet.
Obwohl Florian Pelkas Bilder voll sind mit auffälligen Verweiszeichen, präsentieren sie sich als ausgesprochene Denarrationszonen. Pelka erzählt nicht, er führt die Manipulierbarkeit von Lebenszeit und Aura, Reflexion und Paranoia vor Augen – ohne Historie zu leugnen, wenngleich diese, vom Ruhm verzehrt, häufiger als Science Fiction in Erscheinung tritt denn als lebensgeschichtliches Fadenknäuel. Pixel für Pixel, Pinselstrich für Pinselstrich wird der Betrachter auf?s Glatteis geführt. Was früher felsenfeste Übereinkünfte waren, Ecksteine der Identität eines jeden, sind jetzt zusammen nicht mehr als eine Hand voll bengalischer Blitze in einem Ozean aus um uns herum strömenden Informationen. Die Folge dessen ist, dass diese Orientierungspunkte zu einer Ansammlung von Zufällen relativiert, virtualisiert werden.
Für ihn, der sich nicht für Formzertrümmerung, sondern für Neusetzung entschieden hat, ist der Bildbau das Wichtigste, das Primäre. Verlorene Werte möge man verloren sein lassen und alle Wucht des nihilistischen Gefühls in die formalen und konstruktiven Kräfte des Geistes legen. Umtriebig alles wissen zu wollen, auf der Suche nach einer Lehre von der Wahrheit (Pelka hat vor seinem Kunststudium Philosophie und Germanistik studiert), spricht er von der zu Mißverständnissen reichlich Anlass gebenden Behauptung, dass Stil der Wahrheit überlegen sei (im Gespräch mit dem Autor am 13.September 2005). Aber warum? Weil Stil in sich den Beweis der Existenz trage, während die Wahrheit nur geglaubt werden müsse. Darum sei gerade die Skepsis, der Verzicht auf Glauben, stilbildend. Und deshalb stellt Florian Pelka selbstbewußt seinen Sampling-Stil, seine subjektive, eigene Wahrheit in die Welt.
Er verschwistert Räume und Ebenen irgendwo im bodenlosen Keller der Kathedrale des Denkens, bricht Versteinerungen auf, schmeißt alles in einen Topf, beginnt mit Brückenbildungen, blendet Widersprüchlichkeiten nicht aus, sondern nimmt sie an und das Bild zelebriert am Ende eine permanent durchbrennende kosmische Sicherung.
Der Gegenstand aller Bilder von Florian Pelka ist zuallererst Farbe. Torkelnde Raumkompartimente, angedeutete Bühnen, das Über- und Ineinander von Ebenen, die labyrinthische Kombination aus verschiedenen Wirklichkeiten, Symbole intellektueller Akrobatik und Gegenstände, die nur vorgeben, Symbole zu sein, Konkretes, Abstraktes und ein hoher Grad an Absurdität mischen sich hernach zu immens dicht gearbeiteten Kompositionen.
In “Zweifel und Wunder” finden sich Piktogramme im urbanen Raum ebenso wie Figuren mit symbolischem Charakter. Jederzeit lässt sich der Betrachterhorizont verschieben. Geometrische Elemente liegen nicht nur auf der Bildfläche, sondern verschmelzen mit und in Farbe. Perspektivisches wird durch den Verlauf einer Leitplanke zwar angedeutet, verliert sich dann aber doch irgendwo im Farbschleier.
Die Bilder, aus denen Florian Pelka seine Reizstoffe abspaltet, sind Sperrsicht und Durchsicht in einem, sie spielen auf die Zeichenhaftigkeit der Welt an, fragen nach der Verkettung von Bezeichnendem und Bezeichnetem, eben danach, wie Bedeutung entsteht. Weil Pelka dabei seinen Pinsel nicht etwa in Gleichgültigkeit gegenüber den Motiven und modellhaft behandelten Gegenständen vertrocknen lässt, sondern gar zu gern schwindelerregend führt, entstehen, sich unserer im Nu bemächtigende, malerische Zärtlichkeitsbezeugungen. Was als abstrakte Farbigkeit erscheint, ist vielmehr eine konkrete Farbigkeit radikaler Hingabe oder radikalen Identitätswechsels -so wie Zeus diesen suchte, um in Schwanengestalt Leda verführen zu können.
Die Visualisierungsmöglichkeiten der Gegenwart bieten ein enormes Potential, sowohl für die Kunst als auch für die Naturwissenschaften und die Mathematik. Erinnern wir uns: Einige sehr schwierige mathematische Theorien wurden erst populär, indem Bilder mit ihren Algorithmen erzeugt werden konnten und die Theorie scheinbar zugänglich wurde. Da wir Welt heute schneller über Icons bzw. Zeichensysteme als über Naturerfahrungen wahrnehmen, ist es völlig normal für die Kunst, in zunehmendem Maße die veränderten Arten des Wahrnehmens in traditionelle Medien der Bilderzeugung zu implantieren.
Wenn gewisse Piktogramme in Pelkas Bildern auftauchen, dann nicht nur als ästhetische Form, sondern als Zitate mit Bezug auf die Produktwelt, wie auch als Referenz innerhalb einer kunstimmanenten Reflexion, um damit auf den Gegenstand “Bild” anzuspielen. Auch wenn man sagen kann, dass das avantgardistische Programm der Befreiung etwa des Bildes von der Repräsentation gegenständlicher Welt, der Loslösung der Farbe von ihrem Darstellungswert und der Darstellung überhaupt (bis hin zu einem ästhetischen Negativismus) gescheitert ist, so lässt sich doch die Kunst nicht mehr allein aus einem Konzept der Schönheit oder der Wahrheit heraus begreifen.
Was in Pelkas Bildern nach “Schwan” aussieht, ist genauso wie eine “Ritter”- oder eine “Clowns”-Spielfigur ebenso ein Modell, ein Versichtbarungsbild, durch das hindurch erst Erfahrung möglich wird. Kunst, als eine institutionalisierte Weise der Modellierung von Welt, vermag hier einen neuen, ungewohnten Rahmen im Kontext der Welterschließung zu bilden, in dem Bild, Schein, Illusion oder Imagination ineinanderfließen und nicht mehr als Unterscheidungsinstanzen gelten können. Pelka denkt sich und sieht sich die Dinge zurecht und herbei, dass es eine Lust ist.
Eine Mischung aus Welthunger, Empfindsamkeit und Sehnsucht, eine Neigung zum Symbolistischen und das Hantieren mit
abstrakten Elementen erzeugt alles in allem diesen schwebenden Zwischenton, der im Grunde reinste Romantik ist. Der Ur-Parzifal Wolfram von Eschenbachs, jener ebenso in Melancholie versunkene, wie auch in seiner Frage nach dem eigenen Subjekt mit reichlich Ironie bedachte Held, hat Florian Pelka (das bestreitet der Künstler nicht!) durch Stimmungstäler und über Erkenntnishöhen auf die Seite des Unheroischen gezogen, von welcher aus er sich, unzufrieden mit den eilfertigen Wahrheiten, wehrt mit den Mitteln der Verfremdung ? gegen die Zeichenflut und mithin gegen die oberflächliche Beschleunigung von Erfahrung.
Pelka entwickelt dabei mit den notwendigen Mitteln des Retro ein Netz von Metaebenen, auf denen der episch-ausladende Abgesang und das vorsichtige, zitathafte Berühren der Dinge als Votum für den alles durchdringenden Zweifel gelten können.