Woher nimmst du die Themen?

Die Themen kommen von allein. Auch nicht immer pünktlich. Manchmal muss ich warten. Dabei helfen die abstrakten Farbpartien, mit denen ich mich ebenso beschäftige wie mit den Themen. Manchmal gucke hinterher auf die Bilder und merke, dass ich in einer thematischen Serie stecke. Manchmal aber ist die Party der Bedeutungen schon im Gange, eh ich ganz da bin. Dabei sind die Themen nicht unbekannt: Ich sammle Fetzen der Kultur, Mitbringsel aus den Medien und den Erinnerungen, Eindrücken aus der Großstadt und Natur, aus Träumen, Zufällen. Wie ein Zottelkleid hängen die Themenkreise an mir dran. Sie dürfen zunächst auch zusammenhangslose Motive sein. Ich montiere sie in die Farbräume. Die Motive ergeben keine schlüssigen Sinnzusammenhänge und sind auch keine thronenden Symbole. Es sind ganz konkrete Einzelheiten unseres visuellen Archivs, die für mehr stehen und im Farbmaterial agieren und Lust zum Deuten wecken, während man weiter ins Bild versinkt. Im Abstand zueinander bleiben die Motive spannungsvoller. Etwas absurde Zusammenstellungen geben dem Auge wieder die Freiheit zurück. Irgendwas schießt für mich zusammen -und dann ist da etwas Signifikantes, aber eben oft auch Groteskes. Bilder erforschen die untergründige Erzählung. Ich freue mich, wenn die Betrachter ganz unterschiedliche Assoziationen und Interpretationen anbringen.

Welche Kunstrichtung hat dich am stärksten inspiriert?

Ich bin ganz Zeitgenosse der Postmoderne, wenn ich durch die Kunstgeschichte und alle möglichen Stilrichtungen marodiere wie ein Kind im Kartoffelbrei. Die Epochen, die der Farbe an sich einen Stellenwert zugemessen haben, sind für mich am wichtigsten: die Romantik, der Impressionismus und z.T. der Expressionismus, aber auch die gotische Kunst mit ihren Jenseitsproblemen. Ich leiste jeden Schwur auf Hieronymus Bosch und Grünewald, auf Pierre Bonnard und Munch. Bruce Nauman in seiner Haltung als Künstler. Vor zwanzig Jahren war Daniel Richter in Berlin ein Aufatmen vom konzeptuellen Tod der Malerei.

Du hast Philosophie und Literaturwissenschaft studiert. Wie siehst du die Verbindung zwischen Wort und Bild, wo liegen die wichtigsten Unterschiede?

Die Verbindung von Wort und Bild finde ich eigentlich extrem schwierig. Entweder wird einem literarischen Text mit Illustrationen der imaginäre Spielraum genommen. Oder auf Bildern findet sich Schrift wieder: das kann höchstens so weit gut gehen, wie Cy Twombly es getrieben hat. Die Emblematik des Barock mal ausgenommen. In ihrer Logik habe ich mal einen Parzival-Zyklus geschaffen. Tatsächlich sind unsere Schriftzeichen auch weitgehend arbiträr, nicht-ikonische Zeichen und zerstören ein Bild. Doch war Schrift die entscheidende Kulturtechnik unserer Zivilisation. Jetzt erleben wir ja mit den Medien schon lange eine Bilderrevolution, die auch unser Denken beeinflussen wird. Junge Menschen sind viel flächiger in der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung. Mit der fluiden, medialen Wirklichkeit haben Kunstbilder aber eben gar nichts zu tun. Sie sind ein „Einstand“. Ein magischer Ort. Es gibt tatsächlich eine andere Dimension bei der Versenkung in die Tiefe eines Bildes. Dabei ist ein Bild ja Flachware, gibt ja als zweidimensionale Angelegenheit nur Raum vor, ist eine Lüge. Wie da so eine berückende Erfahrung zustande kommen kann ist mir auch noch nicht klar.

Mit welchen Autoren und Philosophen hast du dich im Studium beschäftigt, und welche beschäftigen dich bis heute?

Ich habe auch bei Jacques Derrida studiert und sein dekonstruktivistisches Vorgehen, sein Begriff der „différance“, begleitet mich wahrscheinlich. Existenzphilosophie, angefangen bei Kierkegaard, leider auch Heidegger, bis zur Kritischen Theorie, namentlich Adorno, waren und sind wichtig.

Wann ist dir klar geworden, dass Malerei der richtige Weg für dich ist?

In der Philosophie. Ich war Anfang Zwanzig. Als ich verstand, dass es mit der Philosophie keine unumstößliche Wahrheit zu löffeln gibt, war der Gedanke einfach: Dann male ich mir meine Wirklichkeit lieber selbst. Ich habe zwar keine Wahrheit gefunden, aber das Bestreben in der Malerei, „echt“ zu sein, fühlt sich richtig an bei der Suche.

War die Malerei schon immer eine Leidenschaft von dir?

Ich habe immer gemalt. Das Sinnliche hat einfach gewonnen.

Kannst du mit dem literarischen Genre der Fantasy etwas anfangen?

In der Literatur schon ein Stück weit. Sagen wir, ich komme mit surrealen Einsprengseln, von Kafka bis Murakami, sehr gut klar. Komplette Fantasy braucht schon einen irgendwie tragenden, kollektiven, evtl. symbolischen Grund, sonst ist es absolut belanglos.

Was schaust du dir selbst am liebsten an: Gemäldeausstellungen, Fotografien, Filme?

Ich sehe wahrscheinlich relativ viel Kunst, schon in Berlin habe ich nahezu jede Woche damit zu tun, andere Kunst anzugucken. Aber ich habe letztens Star Wars 9 geguckt und finde, neben toller Animation etc., dass der wirklich tolle Konstrukte gespaltener Identitäten bietet.

Hast du Filmemacher?

Bei den Regisseuren gehe ich vor Pasolini auf die Knie, aber natürlich gibt es viele, die überwältigend gute Bilderfluten geschaffen haben.

Du hast auch in Paris studiert. Hast du dorthin noch Verbindungen, etwa zu anderen Künstlern oder Galerien?

Ich habe noch einige Verbindungen zu Freunden aus Frankreich, aber die wohnen gar nicht mehr dort, sondern in Madagaskar und Kanada und England. Die Kunstszene von Frankreich, insbesondere von Paris, ist mir nicht so geheuer muss ich sagen. Da ist Berlin schon irgendwie mehr ein Motor.

Bist du in Berlin mit anderen Künstlern vernetzt, gibt es dort unter Malern sogar Freundschaften?

Der größte Teil meines Freundeskreises besteht aus Künstlern. Die engsten Freundschaften sind u.a. Verbindungen aus den Jahren in der Kunsthochschule in Berlin. In der Klasse Baselitz hieß es erst mal, Land zu gewinnen, heute sind so viele Bekanntschaften über Jahre sehr viel entspannter geworden, die Szene ist ein weites Meer und man freut sich, wenn man sich wiedersieht. Aber man beäugt sich auch. Der Austausch ist für die Arbeit wichtig.

Malen ist ja eine eher einsame Tätigkeit. Spürst du trotzdem Auswirkungen der Corona-Krise und der damit verbundenen Kontaktbeschränkungen?

Corona war am Anfang toll. Es gab wirklich nichts zu verpassen, wenn man nur im Atelier war. Im Moment erlebe ich die Zeit schon als eine Zerreißprobe der sozialen Bindungen. Der Wunsch nach Kontakt wird spürbar.

Deine Werke hängen in renommierten Häusern. Was erwartest du von der Ausstellung in Oldenburg?

Ich bin abseits vom Rummel in einer Galerie, deren Programm ich schon schätze. Ich glaube die Gegenüberstellung mit den Bildern von Ariane Boss wird spannend. Wir waren übrigens zusammen in der Grundlehre. Jetzt freuen wir uns auf ein Zusammentreffen von sehr ähnlichen und sehr verschiedenen Aspekten in unserer Malerei. Irgendwas wird passieren.

Wo hast du Ralf Lake kennengelernt?

Auf der Art Karlsruhe. Er hatte extrem starke Schuhe an. Und schon vor etlichen Jahren diese Stimme.